Was uns immer wieder schmunzeln und uns manchmal auch fast
verzweifeln liess, ist das sambische Zeitverständnis. Viele leben hier nach der
sogenannten „Eventtime“ und nicht nach einer „Clocktime“. D.h. die richtige
Zeit um etwas zu machen richtet sich z.B. nach dem Sonnenstand und nach den
Ereignissen. Wenn die Kinder parat sind und das Frühstück gegessen ist, dann
ist die richtige Zeit aufzubrechen und man wartet dann bei einer Versammlung
halt auch so lange, bis alle da sind. Muss man zum Arzt, bekommt man auch
keinen Termin, sondern wartet je nach dem den ganzen Tag, bis man an die Reihe
kommt. Es sitzen jeden Tag einige dutzend Patienten den ganzen Tag im
Ambulatorium des Spitals und wenn der entsprechende Arzt nicht da war oder man
nicht mehr an die Reihe kam, dann muss man halt in den nächsten Tagen wieder
kommen! (Und die Leute müssen meist weite Strecken gehen).
Die meisten haben auf dem Land keine Uhren und die
Zeitangabe auf den Handys stimmt oft auch nicht. Bei der Solarladestation für
Handys haben wir einmal die Uhrzeiten auf sechs verschiedenen Handys
angeschaut, keines hatte dieselbe Uhrzeit! Als Schweizer mit einem ausgeprägten
Sinn für die Clocktime mussten wir uns zuerst daran gewöhnen. Kurz nach unserer
Ankunft wollten wir einige Dinge fürs Kochen besorgen. Uns wurde gesagt, auf
dem Markt gäbe es einen Pfannenverkäufer. Wir gingen dahin, der Laden war zu.
Er käme um 14 Uhr, wurde uns gesagt. Gut, wie wir Schweizer sind, waren wir um
14.05 Uhr wieder dort und standen natürlich immer noch vor verschlossener Türe.
Er sei noch Zuhause bei den Kindern und käme um 16 Uhr. Okay, wir gingen um
16.30 Uhr wieder hin. Natürlich immer noch niemand da. Und als der Laden am
nächsten Tag immer noch geschlossen war, kauften wir schlussendlich die Pfannen
bei unserem nächsten Einkauf in Lusaka. Es fiel uns am Anfang schwer, dass man
Dinge nicht einfach schnell erledigen konnte und man nicht gut planen kann.
Vielleicht klappt etwas und vielleicht auch erst morgen und vielleicht erst
nächste Woche. Wir haben gelernt einen Plan B bereit zu haben und mehr Zeit für
gewisse Dinge einzuplanen!
Auch im Spital ist Pünktlichkeit ein Problem. Obwohl am
Nachmittag um die 14 Uhr die Arbeit wieder aufgenommen werden sollte, sind die
Stationen, die Apotheke und selbst das Labor öfters bis kurz vor 15 Uhr
verlassen. Wir haben uns angewöhnt, immer was zum Lesen dabeizuhaben, um die
Wartezeit zu überbrücken. Wenn man wirklich 14 Uhr meint, dann muss man 14
hours sharp sharp oder the Swiss 14 sagen. J
Nun was wir Westeuropäer vielleicht manchmal als störend
empfinden, ist einfach eine andere, sehr charmante, gelassenere und
natürlichere Art des Tagesablaufes, welche wir z.B. in einer Ferienzeit sehr
geniessen.
Doch aus wirtschaftlicher Sicht bereitet die Eventtime
einige Probleme, denn sie ist ökonomisch gesehen sehr ineffizient.
Stundenlanges Warten beim Arzt, wochenlanges Warten im Spital bis man einen
Operationstermin bekommt oder das ständige Warten auf ein fehlendes
Sitzungsmitglied führt zu erheblichen volkswirtschaftlichen Einbussen und
unnötigen Ressourcenverbrauch (wenn z.B. extra Strom für ein Meeting
angeschaltet wurde oder Patienten im Spital wochenlang durchgefüttert werden
müssen, ohne dass sie behandelt werden). Und natürlich leidet durch die manchmal
daraus entstehende Unzuverlässigkeit die Qualität von Dienstleistungen, sodass
teilweise keine gute Gesundheitsversorgung angeboten werden kann! Es sind
allerdings nicht nur die kulturellen Eigenheiten, die zu „Unpünktlichkeit“
führen, sondern es fehlen auch die Strukturen dazu wie zuverlässige öffentliche
Verkehrsmittel, Uhren und Terminvergaben.
Nun, man muss nicht nach der Clocktime leben um glücklich zu
sein, was uns die gelassene und fröhliche Art der Sambier immer wieder zeigt.
Doch die Leute auf dem Land sind nicht zufrieden, sie wollen mehr. Denn auch in
Sambia hat der technische und materialistische Fortschritt Einzug gehalten, der
aber nur für einen kleinen Bevölkerungsteil zugänglich ist. Aber die Menschen
sehen natürlich, was möglich wäre und wünschen sie auch ein Auto, ein
Smartphone und eine Kreditkarte!
Und während sich die Technik in der Welt und auch in Lusaka
rasant entwickelt, scheint die Zeit hier auf dem Land stillzustehen.
Zu Beginn der Regenzeit kommen die Termiten zu tausenden aus dem Boden. Dies bedeutet für die Locals: kostenlose Delikatesse! |
Mmmh, das sieht doch lecker aus! |