Freitag, 18. Dezember 2015

Zambian Time

Was uns immer wieder schmunzeln und uns manchmal auch fast verzweifeln liess, ist das sambische Zeitverständnis. Viele leben hier nach der sogenannten „Eventtime“ und nicht nach einer „Clocktime“. D.h. die richtige Zeit um etwas zu machen richtet sich z.B. nach dem Sonnenstand und nach den Ereignissen. Wenn die Kinder parat sind und das Frühstück gegessen ist, dann ist die richtige Zeit aufzubrechen und man wartet dann bei einer Versammlung halt auch so lange, bis alle da sind. Muss man zum Arzt, bekommt man auch keinen Termin, sondern wartet je nach dem den ganzen Tag, bis man an die Reihe kommt. Es sitzen jeden Tag einige dutzend Patienten den ganzen Tag im Ambulatorium des Spitals und wenn der entsprechende Arzt nicht da war oder man nicht mehr an die Reihe kam, dann muss man halt in den nächsten Tagen wieder kommen! (Und die Leute müssen meist weite Strecken gehen).
Die meisten haben auf dem Land keine Uhren und die Zeitangabe auf den Handys stimmt oft auch nicht. Bei der Solarladestation für Handys haben wir einmal die Uhrzeiten auf sechs verschiedenen Handys angeschaut, keines hatte dieselbe Uhrzeit! Als Schweizer mit einem ausgeprägten Sinn für die Clocktime mussten wir uns zuerst daran gewöhnen. Kurz nach unserer Ankunft wollten wir einige Dinge fürs Kochen besorgen. Uns wurde gesagt, auf dem Markt gäbe es einen Pfannenverkäufer. Wir gingen dahin, der Laden war zu. Er käme um 14 Uhr, wurde uns gesagt. Gut, wie wir Schweizer sind, waren wir um 14.05 Uhr wieder dort und standen natürlich immer noch vor verschlossener Türe. Er sei noch Zuhause bei den Kindern und käme um 16 Uhr. Okay, wir gingen um 16.30 Uhr wieder hin. Natürlich immer noch niemand da. Und als der Laden am nächsten Tag immer noch geschlossen war, kauften wir schlussendlich die Pfannen bei unserem nächsten Einkauf in Lusaka. Es fiel uns am Anfang schwer, dass man Dinge nicht einfach schnell erledigen konnte und man nicht gut planen kann. Vielleicht klappt etwas und vielleicht auch erst morgen und vielleicht erst nächste Woche. Wir haben gelernt einen Plan B bereit zu haben und mehr Zeit für gewisse Dinge einzuplanen!
Auch im Spital ist Pünktlichkeit ein Problem. Obwohl am Nachmittag um die 14 Uhr die Arbeit wieder aufgenommen werden sollte, sind die Stationen, die Apotheke und selbst das Labor öfters bis kurz vor 15 Uhr verlassen. Wir haben uns angewöhnt, immer was zum Lesen dabeizuhaben, um die Wartezeit zu überbrücken. Wenn man wirklich 14 Uhr meint, dann muss man 14 hours sharp sharp oder the Swiss 14 sagen. J
Nun was wir Westeuropäer vielleicht manchmal als störend empfinden, ist einfach eine andere, sehr charmante, gelassenere und natürlichere Art des Tagesablaufes, welche wir z.B. in einer Ferienzeit sehr geniessen.
Doch aus wirtschaftlicher Sicht bereitet die Eventtime einige Probleme, denn sie ist ökonomisch gesehen sehr ineffizient. Stundenlanges Warten beim Arzt, wochenlanges Warten im Spital bis man einen Operationstermin bekommt oder das ständige Warten auf ein fehlendes Sitzungsmitglied führt zu erheblichen volkswirtschaftlichen Einbussen und unnötigen Ressourcenverbrauch (wenn z.B. extra Strom für ein Meeting angeschaltet wurde oder Patienten im Spital wochenlang durchgefüttert werden müssen, ohne dass sie behandelt werden). Und natürlich leidet durch die manchmal daraus entstehende Unzuverlässigkeit die Qualität von Dienstleistungen, sodass teilweise keine gute Gesundheitsversorgung angeboten werden kann! Es sind allerdings nicht nur die kulturellen Eigenheiten, die zu „Unpünktlichkeit“ führen, sondern es fehlen auch die Strukturen dazu wie zuverlässige öffentliche Verkehrsmittel, Uhren und Terminvergaben.
Nun, man muss nicht nach der Clocktime leben um glücklich zu sein, was uns die gelassene und fröhliche Art der Sambier immer wieder zeigt. Doch die Leute auf dem Land sind nicht zufrieden, sie wollen mehr. Denn auch in Sambia hat der technische und materialistische Fortschritt Einzug gehalten, der aber nur für einen kleinen Bevölkerungsteil zugänglich ist. Aber die Menschen sehen natürlich, was möglich wäre und wünschen sie auch ein Auto, ein Smartphone und eine Kreditkarte!
Und während sich die Technik in der Welt und auch in Lusaka rasant entwickelt, scheint die Zeit hier auf dem Land stillzustehen. 






Zu Beginn der Regenzeit kommen die Termiten zu tausenden aus dem Boden. Dies bedeutet für die Locals: kostenlose Delikatesse!
Mmmh, das sieht doch lecker aus!